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  • AutorenbildPascal Kuba

Schokolade im Bunker: der Krieg aus Sicht der Kinder

Das Schicksal der Ukraine wird in den Medien ausführlich dokumentiert. Eine Geschichte von Eltern aus Saporischschja, denen wir helfen konnten, erzählt nun den Krieg aus einer Sicht, die oft vergessen wird: der Kinder.

Diese Kinder verteilten Spielzeug im Quartier.


Was tun Sie, wenn Sie eine Tafel Schokolade geschenkt bekommen? Am selben Abend essen oder für später aufheben? Für was auch immer Sie sich entscheiden, der emotionale Wert dieser Schokolade wird sich wohl kaum verändern. Ein Geschenk bleibt ein Geschenk und Sie werden Sie ziemlich sicher mit Genuss verzehren. Stellen Sie sich die gleiche Situation bei Kindern vor. Wir nehmen wohl nicht an, dass sie die Schokolade lange aufbewahren würden. Eher wird sie so schnell wie möglich verschlungen, wenn die Eltern nicht schauen.


In Saporischschja, einer ukrainischen Grossstadt unweit der Front, sind die Vorzeichen jedoch anders. Hier zeichnet der Krieg ein anderes Bild von Kindern, wie wir sie in der Schweiz kennen. Vor wenigen Wochen, als eine unserer Lieferungen ankam, bekamen einige Kinder ein ganz spezielles Geschenk: Schweizer Schokolade. Freudig nahmen Sie diese an. Doch anstatt sie zu essen, hatten die Kinder etwas anderes vor. Sie verstauten die Schokolade im Bunker ihres Wohnblocks, um die Zeitspanne während eines Bombenalarms etwas leichter zu gestalten.


Der Stadtteil, in dem die Kinder wohnen, wird vor allem von Binnengeflüchteten bewohnt. Es sind Familien aus den okkupierten Gegenden oder Menschen, die durch die russischen Bomben ihr Zuhause verloren haben. Oft stammen sie aus der Region Mariupol und haben alles verloren. Eltern haben kaum Geld, das wenige wird für den Lebensunterhalt ausgegeben. Umso mehr freuten sich die Kinder, als in der letzten Switlo-Ladung auch Spielzeug und eben Schokolade Platz fanden. Wer davon nichts mitbekam, hatte trotzdem Glück: Die Kinder (zu sehen im ersten Bild) verteilten in der Nachbarschaft das ganze Spielzeug fair.


Nicht nur die Schokolade findet den Weg in den Bunker, auch das Spielzeug wird in den Keller gebracht. Dabei gilt das gleiche Prinzip: Aufheben für schlechtere Zeiten, um zumindest etwas Trost zu finden. Was dabei verblüfft, ist die Wahl des Spielzeugs. Die begehrtesten sind einerseits Bauklötze, mit denen die Kinder die Ukraine wieder aufbauen und andererseits Plüschtiere. So erzählen uns Eltern, dass nicht nur Kleinkinder, sondern auch 13-Jährige das Plüschtier ans Herz drücken, besonders bei Sirenenalarm.


Der Krieg ist für die geflüchteten Kinder in Saporischschja allgegenwärtig. Er wird spielerisch verarbeitet mit Bauklötzen, aber auch Autos auf der Strasse: So werden zum Spass Autos angehalten und kontrolliert. Den ganzen Tag über ist der Krieg Thema bei den Kindern, erzählen die Eltern. Er verschafft ihnen eine andere Perspektive. Weg vom unmittelbaren Leben und hin zur Auseinandersetzung mit einer abnormalen Situation, in der kein Kind aufwachsen sollte. Denn welches Kind entscheidet von sich aus, eine Schokolade zu bunkern?


Wie lange die Kinder in der Ukraine in diesen Umständen leben müssen, bleibt ungewiss. Schon jetzt wird der Krieg bleibende Spuren hinterlassen. Doch mit welchem Effort diese Kinder versuchen, eine furchtbare Situation aufzubessern, ist herzerwärmend und herzzerreissend zugleich. Solange diese Lage anhält, sehen wir es als unseren Auftrag, Güter in die Ukraine zu schicken. Deswegen werden wir weiterhin sammeln, spenden und so unterstützen.

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